Freitag, 24. August 2007

24.08.1963

  • Happy birthday to you, happy birthday to you, happy birthday liebe Bundesliga, happy birthday to you!

    Die Bundesliga – kurz BL – wird heute genau 44 Jahre alt, und ist damit so was, wie das Küken der europäischen Profiligen mit professionellen Spielern (das heißt: Profi-Spielern, die hauptberuflich eben diesem Sport nachgehen – und zwar offiziell!). Vorausgegangen war der Gründung ein jahrzehntelanger Streit um den Spielerstatus, Kommerzialisierung und den Fußballsport an sich. Beinahe 90 Jahre dauerte es, bis Deutschland aus einem Amateursport einen Berufssport machte und den Diskussionen vorerst ein Ende setzte.

    Anpfiff:

    Im Gegensatz zum englischen Vereinsfußball, der sich von Beginn an auf eine recht breite Schicht aus Anhängern berufen konnte, war der Fußball in Deutschland anfangs eine „Randerscheinung“ (Die Rolle des „Nationalsports“ war bereits Turnen (Deutscher Turnerbund und Arbeiter-Turnerbund) belegt – während der Fußball in England recht schnell diese Rolle annehmen konnte).
    Die ersten „Fußballvereinigungen“ (Fußball ist vielleicht übertrieben: es war eine Mischung aus Rugby und Fußball) bildeten sich in den Rheingegenden, wo viele Engländer lebten und regelrechte Kolonien bildeten.
    „In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts (also 19. U.B.) lernte ich durch englische Knaben, die zur Erziehung in dem englischen Knabenpensionate von Maas Philipps waren und dort ihre englischen Spiele und sports pflegten, in meiner Heimatstadt Neuwied am Rhein Fußball nach der damaligen Rugbyart kennen und spielen.“* (Ferdinand Hueppe/Gründungsvorsitzender des DFB im Jahre 1900).

    Schnell verbreitete sich der Sport in ganz Deutschland und mit der Übersetzung der Fußballregeln ins Deutsche (Konrad Koch 1875 in Braunschweig), war es auch vielen ohne direkten Kontakt zu den EnglishMen möglich, das Spiel zu verstehen und zu spielen. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, der Fußball sei auch in Deutschland ein Arbeitersport, waren die Träger dieser neuen Sportart die Bildungsbürger, Geschäftsleute und, mit Entstehung ihrer Berufsgruppe, vor allem die Angestellten.
    Doch war nicht allen das Aufkommen dieser Sportart willkommen. Gerade die Turnverbände sahen ihre Felle davon schwimmen und viele selbst ernannte Experten empfanden den Sport mit dem Ball als verrohend und zu englisch. „Gymnastik und Turnen vermögen Ideales zu vollbringen, das Spiel aber verroht und entsittlicht.“ **

    Bis zum 1. Weltkrieg war der Fußballsport eine von Bürgern und Angestellten getragene Sportart, die dem weitaus größeren Teil der Bevölkerung – den Arbeitern – vorenthalten war. Dies hatte mehrere Gründe:
    1.
  • Zum einen waren die Anschaffungskosten für einen Fußball und die dazu nötige Ausrüstung für die Arbeiterschaft zu hoch.

  • 2.
  • Das Verletzungsrisiko war zu hoch. Für die Angestellten war ihr „Geist“ das Kapital, für den Arbeiter aber sein Körper. (Wir müssen uns vorstellen, dass Familien oft nur eine Einnahmequelle hatten: Nämlich die des Vaters/Mannes. Fiel dieser aus – ob nun für eine Woche oder längere Zeit die Lebensgrundlage auf dem Spiel stand).

  • 3.
  • Die Arbeitgeber der Arbeiter waren an Sportarten interessiert, die dem Arbeiter nicht schaden könnten. Weder körperlich noch moralisch. Hier finden wir dieselben Begründungen wie im Konflikt mit den Turnerbünden.


  • Meist als Soldaten im ersten Weltkrieg lernten die Arbeiter dann den Fußball als Spieler kennen.

    1. Halbzeit

    In der Weimarer Republik erlebte der Fußball seinen größten Aufschwung, aber auch seine stärkste Kritik. Hatte vorher das Spiel an sich die Kritiker erschreckt, waren es nun die Scharen von Anhängern, die zu den Spielen strömten, die Zielscheibe der Kritik wurden. Kritiker waren zumeist Arbeitersportfunktionäre und Politiker, die die öffentliche Ordnung in Gefahr sahen. Die starke Körperlichkeit des Fußballsports auf dem Platz wie auch auf den Rängen - wurde mit einem Verlust der geistigen Ressourcen in Verbindung gebracht.
    „Die maßlose Aufbauschung solcher Muskelleistungen muss zu einer Verflachung des Geisteslebens führen.“ ***(Fritz Wildung, Arbeitersportfunktionär).
    Dies ist eine typische Aussage, in einer Zeit, in der das bürgerliche Ideal der Dominanz des Geistes über den Körper greift. Die Begeisterung der Anhänger wurde somit als Zeichen einer geistigen Krankheit erachtet.
    „Die Zuschauer stehen geradezu unter einem seelischen Zwang. Sie verfallen der Fußball-Psychose, und sie benehmen sich auf dem Sportplatz, als hinge nicht nur ihr eigenes Wohl und Wehe, sondern das Wohl und Wehe der ganzen Welt von dem Ausgang dieses lumpigen Fußballspiels ab.“ (Helmut Wagner, SPD-Politiker).
    Aber im Gegensatz zum langsam an Bedeutung verlierenden Turnen schaffte es der Fußball, milieu-unabhängig zu expandieren. Zu den Spielen strömten also nicht nur Arbeiter, wie es die Zitate glauben machen wollen, sondern auch viele gutbürgerliche Anhänger; die einzige Gruppe, die außen vor blieb, waren die Intellektuellen, die das Geist-über-den-Körper-Ideal hier nicht finden konnten.
    Diese starke Entwicklung des Fußballs und der Entstehung von Vereinsanhängern finden wir zumeist in den Städten, wo die Milieus direkt aufeinander trafen. Sie wirkte verstärkend auf das Identitätsgefühl der Gruppen, aber auf demselben Nährboden (physisch dem Sportplatz).

    In der Weimarer Republik wird der Fußball also zu einem Sport, der fast alle Schichten begeistert. Die Vereinsgründungen sind so auch in allen Gruppen zu finden. Der Konflikt zwischen Bürgertum und Arbeitern wurden so stellvertretend für die Anhänger auf dem Fußballplatz ausgetragen. Zu diesem auf dem Platz ausgetragenen Klassenkampf gehörte auch der Kampf um den Amateurismus. Umsonst zu spielen sollte ein Zeichen von Charakterstärke, Opfermut und Idealismus sein. Für Geld zu spielen dagegen implementierte, das man nicht mehr um der Gesundheit und des Charakters Willen Fußball spielte, sondern auch rein geschäftlichen Gründen.
    Zwar wurde von der Politik der Amateurismus gefordert, aber dies zeigt mehr, dass die Entwicklung zur Professionalisierung – getragen von den Zuschauern - schon begonnen hatte und nur noch reagiert und abgewehrt wurde. Der Beschluss zur Einführung der Profi-Liga auch in Deutschland fiel 1932, wurde aber von der Machtübernahme der NSDAP verhindert.

    2. Halbzeit

    Die Einführung der Bundesliga hätte also schon in der Weimarer Republik stattfinden können, trotzdem verzichtete man nach Ende des Zweiten Weltkrieges darauf, eine Profiliga einzuführen, sondern gründete die Oberligen mit Vertragsamateuren, die max. 320DM im Monat verdienen durften. Dies sollte verhindern, dass die Spieler sich bestechen ließen oder wegen des Geldes ständig von einem Verein zum anderen wechselten (was aber durchaus geschah: der Zonenspringer war eine Erscheinung vor allem der Nachkriegszeit); dafür dass dies nicht funktionierte, gibt es genug Beispiele: besonders in der Mitte der 1950er Jahre häufen sich Streitereien um illegale Ablösesummen und horrende Spielergehälter. Zwar ließ es sich mit den 320DM plus dem eigentlichen Gehalt ihres hauptberuflichen Berufs gut leben, doch strebten einige nach höherem. Beispielsweise hätte sogar ein Bremer Spieler bei der WM 1954 dabei sein können, doch wurde er auf zwei Jahre gesperrt und hatte somit keine Spielerlaubnis. Sowieso: die WM 1954! Sie ließ die Verfechter für eine ProfiLiga (und somit eben Berufsspieler) kurze Zeit verstummen: hatte Sepp Herberger nicht gezeigt, dass Spieler, die nicht für Geld spielten, auch gegen Berufsspieler gewinnen konnten? Dass sie nicht nur spielerisch besser, sondern auch moralischer waren?
    Doch die Freude und Ruhe hielt nicht lang, als immer mehr gute deutsche Spieler ins Ausland abwanderten, wo sie sich ganz dem Fußball widmen konnten. International konnte man weder in den VereinsWettbewerben noch bei der WM 1958 in Schweden oder der WM 1962 in Chile mithalten. DFB-Präsident Hermann Neuberger forderte nun die Einführung einer ProfiLiga, um an internationale Standards anschließen zu können und am 28. Juli 1962 wurde die Einführung der Bundesliga zur Saison 1963/1964 beschlossen. Und was ich mir nicht verkneifen kann: das erste Tor der Bundesliga schoß ein Dortmunder (Timo Konietzka, nach 58 Sekunden gegen Werder Bremen).

    Happy Birthday!

    Schlusspfiff

    *Hueppe, Ferdinand, in: Baroth, Hans-Dieter; Als der Fußball laufen lernte. Tore, Triumphe, Tollheiten, Düsseldorf, 1992, Seite 12.
    ** Unbekannt, in: Lindner, Rolf: "Die Sportbegeisterung", in: Jeggle, Utz, Korfff, Gottfried, Scharfe, Martin, Warneken, Bernd Jürgen (Hg.): Volkskultur in der Moderne - Probleme und Perspektiven empirischer Kulturforschung, Hamburg 1986, Seite 256.
    *** Lindner, Seite 256.
    **** Lindner, Seite 249.

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